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Epoche: Hochmittelalter
Der Begriff Mittelalter ging aus der nachfolgenden Epoche, der Renaissance, hervor. Die Humanisten wählten den Begriff für die Zeit zwischen Antike und der Neuzeit. Für die hochmittelalterliche Dichtung werden auch die Bezeichungen Höfische Literatur und Stauffische Klassik verwendet.
Weltbild des Hochmittelalters
Das mittelalterliche Weltbild ist tief von Kirche und Bibel geprägt. Gott ist der Erschaffer der Welt, der Natur und des Menschen und lenkt diese. Die Vertreibung aus dem Paradies wird als Beginn der Geschichte angesehen, die europäischen Königs- und Kaiserreiche – unter Einfluss der Kirche – als Vorläufer des Gottesreichs auf der Erde, nach dem Jüngsten Gericht. Der einzelne Mensch ist Bestandteil dieser Ordnung, er fühlt sich als Teil der Gesellschaft, nicht als Individuum.
Historischer Hintergrund
Mit der Übernahme der Herrschaftsgewalt der Staufer über die Salier 1125 setzte alsbald das Hochmittelalter ein. Ihren Höhepunkt der Macht erreichten die Staufer unter Friedrich I. – Barbarossa. 1270 erlosch jedoch das Staufergeschlecht und die Macht ging an die Adelshäuser der Luxemburger, Wittelsbacher und Habsburger über. Die Habsburger stellten dann den römisch-deutschen König.
In fast allen Lebensbereichen fand ein umfassender Wandel statt. Die Anzahl der Menschen wuchs rasch. Durch gestiegenen Nahrungsbedarf verbesserte sich die landwirtschaftliche Produktion. Handwerk und Handel erlebten einen ähnlichen Aufschwung; die Tauschwirtschaft wurde von der Geldwirtschaft verdrängt. Die Kirche erlangte eine geordnete Hierarchie, deren Oberhaupt nun ein Papst war.
Das Hochmittelalter war die Blütezeit vieler geistlicher Orden, jedoch kam es häufig zu Konfrontationen geistlicher und weltlicher Herrschaft, die im Investiturstreit mündeten. Neben dem wirtschaftlichen Aufschwung setzte auch ein kultureller Aufbruch ein: Schreiben und Lesen blieb nicht mehr dem Klerus vorbehalten; die Literatur richtete sich jetzt an ein adliges Publikum.
Die hochmittelalterliche Dichtung
Im Hochmittelalter fand der Minnesang seine Blütezeit. Neben diesen Lobgesang entstanden noch das Tagelied und Kreuzlied. Die schönsten Minnelieder stammen von Walther von der Vogelweide, Hartmann von Aue und Heinrich von Morungen. Sie entwickelten auch die Spruchdichtung weiter.
Neben dem Minnesang entstand das höfische Epos und Heldenepos. Mit Erec (ca. 1180) schuf Hartmann von Aue den ersten deutschen Artusroman. Das bedeutendste Epos des Mittelalters, Parzival, wurde von Wolfram von Eschenbach geschrieben. Auch Gottfried von Straßburg erlangte großen Ruhm durch sein Epos Tristan und Isolde. Ein weiteres Werk erhielt große Bedeutung: das Nibelungenlied, ein Heldenepos, das jedoch anonym überliefert ist. Die Epen des Hochmittelalters waren Versepen, die aus Reimpaaren aufgebaut waren. Im Hochmittelalter bildete sich das Mittelhochdeutsch heraus.
Neben Minne und Epos entstand die Vagantendichtung. Sie stellte Gegenstände des irdischen Lebens dar und stand somit im Gegensatz zu Minnesang und Epos. Die Vagantendichtung wurde in lateinischer Sprache verfasst, deren berühmtestes Werk die Carmina Burana ist.
Rittertum Das Rittertum spielte im Hochmittelalter eine herausragende Rolle. Ursprünglich bezeichnete man mit Rittertum eine militärische Institution im fränkischen Heerwesen. Die ehemals berittenen Krieger im Dienste von Adligen und Königen übernahmen deren Lebensformen.
Der Begriff Ritter galt nun als Standesbezeichnung. Es bildete sich ein Rittertum heraus, welches geprägt wurde von Festen, Turnieren, typischen Symbolen (z. B. Wappen) und spezieller Kleidung. Es entstanden drei wesentliche ritterliche Ideale: Dienst für den Herrn (weltliche Ritterideale), Dienst für die Kirche und Christenheit (christliche Ritterideale) und den Frauendienst. Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus: Habgier, Hurerei und Totschlag waren typische Sünden der Ritter. Die hochmittelalterliche Dichtung hatte die Aufgabe, das ritterliche Ideal darzustellen. Das höfische Epos (Ritterepos) und der Minnesang waren die Hauptformen der ritterlichen Dichtung.
Leitbegriffe höfischer Ritter/ ritterliche Tugenden | Leitbegriffe der Mönche |
mâze: maßvolles Leben, Zurückhaltungzuht: Erziehung nach festen Regelnêre: ritterliches Ansehen, Würdetriuwe: Treuehôher muot: seelische Hochstimmungmilte: Freigiebigkeitwerdekeit: Würdestaete: Beständigkeit, Festigkeitgüete: Freundlichkeitmanheit: Tapferkeit | Beten, Hilfsbereitschaft, Keuschheit, asketische Lebensführung |
Minnesang Minne ist der Begriff für höfische Liebe des Mittelalters und stammt vom althochdeutschen Wort minna (‚Liebe‘). Die Minnedichtung ist die älteste Liebesdichtung im westeuropäischem Sprachraum. Die Minnesänger kamen aus allen Ständen, standen aber als solche gleichrangig nebeneinander.
Die Strophenform eines Minneliedes war die Stollenstrophe. Diese Bezeichnung wurde von Jakob Grimm vom Meistersang auf den Minnesang übertragen. Eine Stollenstrophe bestand aus 3 Stollen. Die ersten beiden Stollen waren melodisch gleich, sie bildeten den Aufgesang und waren die Stützen für den 3. Stollen, den Abgesang.
Aufbau einer Stollenstrophe Im Minnelied lobte man meist die Gesamtheit der Frauen und nicht nur eine einzelne Frau. Im Zentrum des Minneliedes stand die Liebeserklärung eines Ritters (des Minnesängers) an eine adlige Frau. Er pries ihre Schönheit und Vorzüge, hoffte auf die Erhörung, beklagte aber auch die Unerfüllung. Somit enthielten Minnelieder einen Konflikt zwischen geistiger Liebe und Besinnung. Sie waren Bestandteil des Minnedienstes und wurden vor allem bei Hoffesten vorgetragen. Der Minnedienst war ein Teil der ritterlichen Erziehung und die Minne selbst stellte das Ritterideal dar.
Under der linden – Walther von der Vogelweide
Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, Dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. Vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal. Ich kam gegangen zuo der ouwe: dô was mîn friedel komen ê. Dâ wart ich empfangen, hêre frouwe, daz ich bin saelic iemer mê. Kuster mich? wol tûsentstunt: tandaradei, seht wie rôt mir ist der munt. Dô het er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. Des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. Bî den rôsen er wol mac, tandaradei, merken wâ mirz houbet lac. Daz er bî mir laege, wessez iemen (nu enwelle got!), sô schamt ich mich. Wes er mit mir pflaege, niemer niemen bevinde daz, wan er und ich. Und ein kleinez vogellîn: tandaradei, daz mac wol getriuwe sîn. |
Literarische Formen im Hochmittelalter
- Heldenepos
- höfisches Epos
- Artusepik
- Minnesang
- Spruchdichtung
- Tagelied
- Kreuzlied
- Leich
- Vagantendichtung
Höfisches Epos:
Im Mittelpunkt steht meist ein adliger Ritter, der viele Abenteuer bestehen und seine Ideale beweisen muss, damit er die höchste Ritterwürde erhält: die Aufnahme in die Tafelrunde am Hofe des Königs Arthus; z. B. Parzival, Erec oder Iwein.
Das höfische Epos zeigt die Vorstellung des Lebensideals und der ritterlichen Tugenden.
Heldenepos: Im Mittelpunkt steht das Bestehen eines Abenteuers.
Spruchdichtung:
Die Spruchdichtung unterscheidet sich zwischen „Sprechspruch“, mit belehrendem Inhalt, und dem lyrischen „Sangspruch“, mit religiösen, politischen oder moralischen Inhalten. Ein bedeutender Vertreter des Sangspruchs war Walther von der Vogelweide. Der Sangspruch löste sich später in den Meistersang auf.
Tagelied:
Das Tagelied ist ein Minnelied, das die Verabschiedung zweier Liebender nach einer gemeinsamen Liebesnacht, den Schmerz des Abschieds und die Furcht der Aufdeckung der Liebe zum Thema hat. Herausragende Tagelied-Dichter sind Walther von der Vogelweide (z. B. Friuntlichen lac), Heinrich von Morungen (z. B. Owê, – Sol aber mir iemer mê) und Wolfram von Eschenbach.
Kreuzlied:
Das Kreuzlied ist eine Form des Minnesangs, in welcher der Minnesänger vor der Entscheidung steht, sich einem Kreuzzug anzuschließen oder den Minnedienst für seine Herrin fortzuführen. Kreuzlieder schrieben z. B. Friedrich von Hausen (z. B. Min herze und min lip die wellent scheiden) und Albrecht von Johannsdorf (z. B. Ich und ein wîp).
Vertreter des Hochmittelalters
- Friedrich von Hausen (ca. 1150 – 1190)
- Gottfried von Straßburg (ca. 1170 – ca. 1215)
- Hartmann von Aue (ca. 1170 – ca. 1210)
- Heinrich von Morungen (Ende 12. Jh. – 1222)
- Heinrich von Veldeke (Mitte 12. Jh. – Anfang 13. Jh.)
- Konrad von Würzburg (ca. 1220 – 1287)
- Neidhart von Reuental (ca. 1180 – ca. 1240)
- Reinmar von Hagenau (ca. 1160 – ca. 1210)
- Rudolf von Ems (ca. 1200 – ca. 1250)
- Tannhäuser (ca. 1200 – ca. 1270)
- Ulrich von Lichtenstein (ca. 1200 – 1275)
- Ulrich von Zatzikhoven (um 1200)
- Walther von der Vogelweide (ca. 1170 – ca. 1230)
- Wolfram von Eschenbach (ca. 1170 – ca. 1220)
Werke des Hochmittelalters
- Lieder (1170) – Kürenberger
- Lieder (ca. 1170) – Dietmar von Aist
- Reichston – Walther von der Vogelweide
- Minnelieder (1170-1190) – Heinrich von Veldeke
- Minnelieder (1170-1190) – Friedrich von Hausen
- Minnelieder (seit 1180) – Albrecht von Johannsdorf
- Minnelieder (seit 1180) – Heinrich von Morungen
- Minnelieder (seit 1185) – Reinmar der Alte
- Minnelieder (1200/05) – Wolfram von Eschenbach
- Erec (ca. 1180) – Hartmann von Aue
- Iwein (ca. 1200) – Hartmann von Aue
- Gregorius (1187/89)- Hartmann von Aue
- Der arme Heinrich (1195) – Hartmann von Aue
- Lanzelet (1195/1215) – Ulrich von Zatzikhoven
- Eneid (ca. 1170 – ca. 1190) – Heinrich von Veldeke
- Parzival (1200/10) – Wolfram von Eschenbach
- Tristan und Isolde (ca. 1210) – Gottfried von Straßburg
- Nibelungenlied (ca. 1200) – anonym
- Wigalois (ca. 1205) – Wirnt von Grafenberg
- Willehalm (ca. 1215) – Wolfram von Eschenbach
- Titurel (ca. 1215)- Wolfram von Eschenbach
- Kudrun (ca. 1230/40) – anonym
- Weltchronik (1250/54) – Rudolf von Ems
- Der Welt Lohn (ca. 1267) – Konrad von Würzburg